Liberale Demokratien und ein Europa, das schützt.

Geist & Gegenwart – Dialogveranstaltung mit Franz Fischler

(Foto © Fischer, Verwendung honorarfrei)

„Wir sind nachlässig geworden in der Verteidigung unserer Werte.“

Im Rahmen der Dialogreihe „Geist & Gegenwart“ war am 26. November 2018 der langjährige EU-Kommissar und nunmehrige Präsident des Europäischen Forum Alpbach, Franz Fischler, in der Aula der Alten Universität Graz zu Gast. Nach einer einleitenden Begrüßung von Club Alpbach Steiermark Vorsitzendem Herwig Hösele – die mit der Information einherging, dass der Streik der Eisenbahner dem Vortragenden Fischler in die Quere gekommen sei und das Publikum noch ein paar Minuten länger ausharren müsse – eröffnete Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl, zuständig für Wirtschaft, Tourismus, Europa, Wissenschaft und Forschung, die Veranstaltung. Die Landesrätin stimmte mit der Betonung der starken Verknüpfung der Steiermark mit der Europäischen Union den Ton an. Sie lenkte die Aufmerksamkeit vor allem auf konkrete Errungenschaften der EU wie das Schengen-Abkommen, die gemeinsame Währung, das Austauschprogramm Erasmus sowie die Abschaffung von Roaming-Gebühren. Gleichzeitig erinnerte sie aber auch an die tragenden Grundwerte der Union wie Frieden, Wohlstand und Demokratie.

Diesen positiven Blick Richtung vereintes Europa trug Franz Fischler, dem man die wohl leicht anstrengende Anreise kaum ansehen konnte, beinahe nahtlos weiter. In seinem einstündigen Vortrag appellierte er vor allem an die aktive Beteiligung an repräsentativer Demokratie und forderte alle Anwesenden dazu auf, den aufkommenden illiberalen Tendenzen die Stirn zu bieten. Denn: Friede sei nur mit einem vereinten zentralen Europa möglich. “Wir sind nachlässig geworden in der Verteidigung unserer Werte,” so Fischler.

Demokratie lebe von Dialog und Kommunikation und von nur dadurch erreichbaren Kompromiss- und Konsensfindung. Fischler gab zu bedenken, dass wir den Unterschied zwischen Informationsbeschaffung und gemeinschaftlichem Dialog zusehends verlernten. Es sei dies ein Problem, dass sich auch auf der Regierungsebene niederschlüge, und um welches es zu kontern dringend eine Stärkung des Parlamentarismus auch in Österreich bedürfe.

Leicht besorgt blickte der ehemalige EU-Kommissar auch in Richtung Europawahl 2019. Der Nachholbedarf in Digitalisierung, Innovation, Migrationspolitik, militärischer Stärke, Export und Handel sowie die durch Urbanisierung bedingten Herausforderungen würden sich ohne konkrete Initiativen seitens der EU auf die Wahlbeteiligung auswirken und zu starken Auseinandersetzungen zwischen EU-Befürwortern und -Gegnern führen. Diese Herausforderungen seien komplexe Probleme, die zur Lösung ein neues Denken benötigen würden. Eine Anstrengung, die die Politik alleine nicht leisten könne, sondern durch einen konstruktiven Dialog mit Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und der Zivilgesellschaft unterstützt müsse. Fischler verwies auf die Notwendigkeit neuer Plattformen, die einen solchen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen und zu gemeinsamen Entscheidungen führen könnten.

Ob der österreichische EU-Ratsvorsitz 2018 ein gelungenes Unterfangen gewesen wäre, darauf geht Fischler nicht weiter ein. Vielmehr hebt er – aus eigener Erfahrung – das immense Arbeitspensum eines solchen Vorsitzes hervor und erinnert an die Kernthemen dieses Jahres: illegale Migration bekämpfen, Nachbarländer stabilisieren und so den Wohlstand sichern.
Vollkommen klar ist für Fischler, dass es an der Zeit ist, für liberale Demokratie einzutreten. “Es gibt viele Gründe, warum die EU unverzichtbar und alternativlos ist,” so der Präsident des Europäischen Forum Alpbach. “Und es braucht unser aller Engagement.”

(Lisa Schantl, Club Alpbach Steiermark)