Die neue Macht der Lüge. Desinformation im digitalen Zeitalter.

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„Wir müssen medienmündig werden, weil wir medienmächtig geworden sind!“

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen referierte und diskutierte im Rahmen von Geist & Gegenwart auf Einladung von Wissenschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl über die „Deregulierung des Wahrheitsmarktes“, die durch digitale Medien und die von ihnen verursachte „Neuorganisation der Informationswelt“ zu beobachten ist. Notwendig sei daher mehr Öffentlichkeitsbewusstsein als Korrektiv bei jedem einzelnen von uns, das nur durch eine entsprechende Bildung geschaffen werden könne.

„Digitalisierung findet statt! Sie durchdringt mittlerweile alle Lebensbereiche von der Wirtschaft, über die Wissenschaft und Forschung bis hin zur Bildung und Gesundheit. Es ist daher notwendig, dass wir uns intensiv mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten der Digitalisierung auseinandersetzen, was wir im kommenden Jahr im Rahmen der Geist & Gegenwart Dialogreihe und des Pfingstdialoges intensiv tun werden“, kündigte Gastgeberin Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl an. Wie jede große Veränderung bringe die Digitalisierung Chancen und Risiken mit sich. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Steiermark als innovativstes Bundesland Österreich zu den Gewinnern der Digitalisierung zählen wird“, zeigt sich die Wissenschaftslandesrätin pessimistisch.

Macht der Desinformation im digitalen Zeitalter

Dass sich die Geschwindigkeit, mit der Gerüchte sich verbreiten durch die Möglichkeiten der Digitalisierung zunehmend erhöht, ist für den deutschen Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen eine Tatsache. Dem Postulat des Post-Faktischen Zeitalters und dem damit einhergehenden „Ende aller Fakten“ will Pörksen allerdings nicht uneingeschränkt zustimmen, da es ein „goldenes Zeitalter der Fakten“ ohne Falschmeldungen und Propaganda auch vor dem Siegeszug der digitalen Medien nicht gegeben habe. Vielmehr spricht sich Pörksen gegen Resignationsvokabel wie diese aus, weil sie Machtlosigkeit suggerieren.

Obwohl die Macht der Desinformation zunimmt, was Pörksen anhand von sechs Trenddiagnosen veranschaulicht, sei die Gesellschaft dieser Entwicklung nicht ausgeliefert. Auch bringe die Digitalisierung der Medien und die damit verbundene „tektonische Verschiebung der Informationsarchitektur“ auch zahlreiche Vorteile mit sich. „Jeder von uns hat nun eine Stimme und kann gehört werden. Und der Zugang zu Informationen ist so leicht und umfassend wie nie zuvor“, nennt Pörksen zwei positive Auswirkungen der Digitalisierung in den Medien.

Öffentlichkeitsökologie vs. Öffentlichkeitsökonomie

Um mit der zunehmenden Informationsflut, die immer schneller auf uns einwirkt – von Pörksen als Öffentlichkeitsökonomie bezeichnet – verantwortungsbewusst umzugehen, brauche es ein gestärktes Öffentlichkeitsbewusstsein jedes Einzelnen. Diese gestärkte „Öffentlichkeitsökologie“ vergleicht Pörksen mit dem in den 70er Jahren aufgekommenen Umweltbewusstsein. Auch dieses sei eine Reaktion auf die Ökologie und die damit einhergehenden Folgeschäden für die Umwelt gewesen.

Um dieses Öffentlichkeitsbewusstsein zu erreichen sind laut dem Medienwissenschaftler entsprechende Bildungsangebote in Richtung Qualitätsbewusstsein, Quellenbewusstsein und Bühnenbewusstsein notwendig. Eine Herausforderung, der sich unser gesamtes Bildungssystem und die Gesellschaft stellen müssten um eine neue „Mündigkeit“ als Absicherung der Demokratie und Gegenkonzept zu Manipulation und Falschnachrichten zu erreichen.

Zum Beitrag der Kleinen Zeitung